Schulter
Rotatorenmanschette
Als Rotatorenmanschette bezeichnet man 5 Sehnen, die hufeisenförmig am Oberarmkopf ansetzen, das Schultergelenk nicht nur drehen und heben, sondern auch stabilisieren und zentrieren. Zum Orthopäden führen in der Regel Verletzungen von zwei dieser fünf Sehnen, der Supraspinatussehne und der Subscapularissehne.
Subscapularissehne
Zu einer Schädigung der Subscapularissehne kommt es fast ausnahmslos durch ein Unfallereignis, wenn der Arm hängen bleibt und/oder ruckartig nach hinten gezerrt wird. Die Betroffenen sind nicht mehr in der Lage, die Schulter nach innen zu drehen (Schürzengriff) und diesen vom Rücken abzuheben (lift off Test). Zum einen ist dies im Alltag stark einschränkend, zum anderen darf man nur in seltenen Fällen mit einer spontanen Ausheilung rechnen. Es sollte also nicht zu lange gewartet, sondern die Sehne, solange noch möglich, operativ refixiert werden. Der Eingriff kann arthroskopisch oder offen erfolgen, die Rehabilitation ist relativ aufwendig. Die Ausheilung nimmt gut ein halbes Jahr in Anspruch.
Supraspinatussehne
Im Gegensatz zur Subscapularissehne liegen bei der Supraspinatussehne eher selten traumatische, unfallbedingte Verletzungen vor. Körperliche Aktivitäten und anatomische Verhältnisse verursachen im Laufe der Jahre und Jahrzehnte einen mechanischen Verschleiss. Schwere körperliche Arbeiten, Wurfbewegungen und insbesondere eine Einengung des Schulterdaches (subacromiales Impingement) führen zunächst zu einer Ausdünnung oder auch zur Teilruptur der Sehne (PASTA Läsion). Bei entsprechendem Leidensdruck und anhaltenden Schmerzen bei Überkopfarbeiten, Schwäche und vor allem stark gestörter Nachtruhe trotz 6-monatiger Physiotherapie bietet sich eine operative Revision der Sehne an mit begleitender Abtragung des Spornes am Schulterdach an. Ist die Sehne vollständig gerissen - es handelt sich dann um eine transmurale Ruptur – hängen die Behandlungsmöglichkeiten vom Verletzungsstadium und der Sehnenqualität ab. Beurteilt wird die Dicke der Sehne, deren Retraktion (Stadium I–IV), sowie die Fülle und Qualität des betreffenden Muskels (Goutallier I–IV). Je fortgeschrittener das Stadium, umso schwieriger ist die operative Sanierung, vorsichtiger und mühsamer die Nachbehandlung (Gilet oder Armkissen) und verhaltener die Prognose. Die Sehnennaht kann arthroskopisch oder offen erfolgen, beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile, die mit den Patienten besprochen werden müssen. Zwar ist mit einer langen Rehabilitationszeit von 4-8 Monaten zu rechnen, bei optimaler Ausgangslage aber ein gutes postoperatives Resultat zu erwarten.
Impingement
Impingement bezeichet eine Einengung, bzw. mechanische Irritation zwischen zwei Strukturen. Im Bereich der Schulter kann die Einengung durch das Schulterdach (subacromiales Impingement), ein Band zwischen Rabenschnabelfortsatz und Schulterdach (Ligamentum coraco-acromiale) sowie durch den Rabenschnabel (Coracoid-Impingement) verursacht werden. Weitaus am häufigsten ist das subacromiale Impingement. Das Schulterdach ist in diesen Fällen an seiner Unterseite nicht flach, sondern zieht meist in seinem vorderem Anteil nach unten und bildet so einen Sporn (Acromionsporn). Dieser drückt beim Anheben des Armes auf die darunter liegende Supraspinatussehne, führt zunächst zu einer schmerzhaften Reizung und Entzündung des dazwischen liegenden Schleimbeutels (Bursitis subacromialis), im Laufe der Zeit nicht selten gar zu einer Schädigung der Sehne. Oft lassen sich die Beschwerden mit Entzündungshemmern, ggf. einer Kortisonspritze beheben.
Bei wiederholten Schmerzschüben, bzw. anhaltenden Symptomen bleibt als Option die chirurgische Resektion des Spornes, also Glättung des Schulterdaches. Es handelt sich dabei um einen arthroskopischen, kurzen und schmerzarmen Eingriff mit relativ geringem postoperativem Behandlungsaufwand und in der Regel rascher Erholung innert wenigen Wochen.
Arthrose
Wie Hüfte und Knie kann auch die Schulter eine Arthrose entwickeln, wir sprechen dann von einer Glenohumeralarthrose. Sie kann zwar Folge einer früheren Verletzung sein, die Ursache ist meist aber eine veraltete, mittlerweile irreparable Ruptur der Rotatorenmanschette (cuff tear Arthropathie). Arthrosen des Schultergelenks sind im betagten Alter nicht selten, lassen sich mit relativ wenig Schmerzmitteln und adäquater Therapie meist gut behandeln mit sehr erträglichem Leidensdruck und nur geringen Einschränkungen im Alltag. Andernfalls darf von einem arthroskopischen Débridement mit begleitender Lösung der langen Bizepssehne (Bizepssehnentenotomie) eine gewisse Erleichterung erwartet werden. Nur bei anhaltenden, starken Schmerzen und erst im höheren Alter kann der Einbau einer Schulterprothese erwogen werden.
Tendinitis calcarea
Bei der Tendinitis calcarea, umgangssprachlich Kalkschulter, handelt es sich um Kalkeinlagerungen in den Sehnen der Rotatorenmanschette, meist in der Supraspinatussehne, seltener in der Infraspinatus- oder Subscapularissehne. In der Regel sind die Patienten jünger, 30–40 Jahre alt und Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Die Ursache der Kalkeinlagerung ist unbekannt, nicht selten handelt es sich um einen Zufallsbefund, zum Beispiel im Rahmen einer radiologischen Abklärung nach Schultertrauma. Schmerzen treten erst dann auf, wenn sich die Kalkherde auflösen, dies meist ohne erkennbare Ursache, hin und wieder nach einem Sturz auf den Arm. Die aufgelösten Kalkkristalle (Hydroxyappatit) wandern in den Schleimbeutel unter dem Schulterdach und verursachen eine Entzündungsreaktion (Bursitis subacromialis). Diese Inflammation soll die Kalkherde abbauen und ist ausserordentlich schmerzhaft. Es ist ein massiver, zermürbender Schulterschmerz, der zunächst mit einer Kortison-Infiltration unter das Schulterdach innert Minutenfrist und praktisch vollständig behoben werden kann. Zudem lösen sich dabei die Kalkherde nicht selten nach wenigen Wochen auf und sind somit radiologisch nicht mehr sichtbar. Es kann sich um eine einmalige Schmerzepisode handeln, es können sich aber auch erneut Kalkherde bilden. Erst nach mehreren Infiltrationen werden invasivere Behandlungsmethoden ins Auge gefasst. Beim Needling wird das Kortison direkt in die Kalkdepots gespritzt. Um die Herde zu treffen braucht man eine Bildgebung mittels Ultraschall, Röntgen-Bildverstärker oder Computertomographie. Dieses Vorgehen ist zwar wenig invasiv, allerdings bilden sich bei einigen Patienten erneut Verkalkungen. Nachhaltiger ist ein operatives Vorgehen, die Kalkherde können arthroskopisch oder offen debridiert werden, je nach Grösse und Lokalisation bietet sich eines der beiden Verfahren an. Die postoperative Rehabilitation ist einfach und rasch abgeschlossen.
Schulterinstabilität
Kommt es zu einer Schulterluxation, spricht man von Schulterinstabilität. Wir klassifizieren eine Instabilität nach mehreren Kriterien: traumatisch – atraumatisch, unidirektional – multidirektional, einmalig – recidivierend – habituell – chronisch. Seltene Formen der Instabilität sind die atraumatischen, multidirektionalen, habituellen und chronischen Luxationen. Es handelt sich hier um komplexe Erkrankungen, welche schwierig zu behandeln und mit einer eher schlechten Prognose behaftet sind. Diese Patienten sollten an Schulterzentren überwiesen werden. Weitaus häufiger aber sind die traumatischen, unidirektionalen Schulterinstabilitäten. In der Regel kugelt die Schulter nach vorne aus (ventrale Schulterluxation) und zieht Verletzungen am vorderen Pfannenrand (Bankartläsion) und hinten am Oberarmkopf (Hill-Sachs-Delle) nach sich. Weitere Begleitverletzungen können am Oberarmknochen (HAGL) oder ausgedehnter am Pfannenhals (ALPSA) auftreten. Bei Patienten im mittleren Alter, also ab etwa 45 Jahren, kann es zusätzlich zu einem Ausriss der Supraspinatussehne kommen, nicht selten mit noch anhaftendem Knochen. Aus diesem Grund empfiehlt sich in diesen Fällen stets eine MRI-Abklärung.
Behandlung der Schulterinstabilität
Bei nachgewiesenem Sehnenausriss sollte operativ vorgegangen werden. Wenn die Sehne nicht ausgerissen ist, reicht zur Schmerzreduktion eine mehrtägige Ruhigstellung der Schulter. Erneute Luxationen sind in diesen Fällen kaum zu befürchten. Anders sieht die Situation bei jungen Patienten aus. Die noch elastische Gelenkskapsel, anders als bei älteren Patienten, reisst nicht, sondern dehnt sich dauerhaft aus. Es kommt zu einer plastischen Deformation der Fasern und somit zum Ausfall sowohl ihrer statischen als auch dynamischen Stabilisierungsfunktionen. Das Resultat ist eine hohe Rate erneuter Luxationen, bei unter 20-jährigen Patienten gut 80–90%. Oft drängt sich in dieser Situation also eine operative Stabilisierung auf. Es ist aber durchaus vertretbar, zunächst konservativ vorzugehen. Anders als früher wird die Schulter aktuell nicht mehr während 4 Wochen, sondern nur noch für die Dauer von einer Woche im Orthogilet/Gilchristverband ruhiggestellt. Die Rate erneuter Luxationen ist auch bei kurzer Ruhigstellung nicht grösser, die Belastung für die Patienten jedoch deutlich geringer. Über die gängige Therapieempfehlung, bis zur Operation das dritte Luxationsereignis abzuwarten, lässt sich diskutieren. Mit jeder Luxation wird die stabilisierende vordere Gelenkslippe (ventrales Labrum) erneut verletzt, vernarbt zusehends und eine chirurgische Refixation wird immer schwieriger. Auch bei diesen jungen Patienten sollte also eine MRI-Untersuchung erfolgen.
Ein ausgerissenes und noch gesundes Labrum lässt sich arthroskopisch relativ einfach und schonend operativ refixieren mit einem in der Folge geringen Reluxationsrisiko. Ist das Labrum vernarbt oder gar fehlend, ist ein arthroskopisches Vorgehen mittels Kapselraffung mit einem deutlich höheren Recidivrisiko verbunden. In diesen Fällen müssen nicht selten offene Stabilisierungsverfahren gewählt werden, die natürlich invasiver sind und unschöne Narben hinterlassen.
Bizepssehnenverletzungen
Der Bizepsmuskel am Oberarm hat drei Sehnen, eine am Ellbogen und zwei an der Schulter; eine kurze und eine lange. Für seine Funktionen, die Beugung des Ellbogens und die Aussendrehung des Vorderarmes, sind aber nur die obere kurze und die untere, distale Bizepssehne notwendig. Ausrisse dieser beiden Sehnen sollten praktisch immer operativ refixiert werden. Unfälle oder Abnützungserscheinungen führen nicht selten zu Rissen der oberen, langen Bizepssehne. Dies führt zu nur geringen, kaum störenden Funktionsverlusten, Männer allerdings kann der nach unten gerutschte und kugelige Muskelbauch kosmetisch stören. Ob in diesen Fällen die Sehne operativ refixiert werden soll, liegt also im Auge des Betrachters.
Luxation der langen Bizepssehne
Eine unglückliche forcierte Bewegung der Schulter oder ein Ausriss der vorderen Subscapularissehne kann den Halteapparat der langen Bizepssehne verletzen. Als Folge rutscht die Sehne hin und her und verursacht unangenehmes Schnappen sowie Schmerzen. Mit einer spontanen Ausheilung ist nicht zu rechnen, es bleibt also die chirurgische Sanierung in Form einer Durchtrennung der Sehne (Bizepssehnentenotomie) an deren Ansatz am Pfannenrand oder einer Refixation derselben am Oberamkopf (Bizepssehnentenodese).
SLAP-Läsion
Die lange Bizepssehne zieht um den Oberarmkopf in das Schultergelenk und setzt am oberen Pfannenrand an. Hier ist sie in engem Kontakt mit der um die Pfanne ziehenden Gelenkslippe, dem Labrum glenoidale. Ein ruckartiger Zug an der Sehne, sei es bei einem Sturz, Auffangen eines schweren Gewichtes oder scharfem Zug am Arm kann die Sehne mitsamt der Gelenkslippe am Pfannenrand an- oder abreissen. Diese Verletzung wird als SLAP-Läsion (Superior Labrum Anterior Posterior) bezeichnet und in 4 Typen eingeteilt. Eine sofortige operative Intervention ist nicht nötig, man sieht nach einem halben Jahr immer wieder spontane Ausheilungen. Bleiben die Bescherden, also Schmerzen bei unglücklichen Verrenkungen, Wurfbewegungen oder beim Belasten des Armes, kann der Bizepssehnenanker mitsamt dem Labrum arthroskopisch refixiert (SLAP-repair), oder die Bizepssehne von ihrem Ansatz gelöst und am Oberarmkopf angeheftet werden (Bizepssehnentenodese). Moderne Operationsmethoden und Anker machen den Eingriff technisch relativ einfach, es muss aber insbesondere beim SLAP-repair mit einer relativ langen Rehabilitation über 6-8 Monate gerechnet werden. Bei älteren Patienten kann auch nur die Lösung der Sehne erwogen werden (Bizepssehnentenotomie). Dies ist ein einfacher, kurzer Eingriff mit raschem Heilungsverlauf, aber weniger günstigem kosmetischem Resultat.